Die Geschichte eines Bluttrinkers

Kapitel 5

Abschied


Die schwere Luft eines warmen Abends zog durch das offene Fenster herein, berührte sachte die Gardinen und strich über meinen Körper hin, da ich vor dem Fenster stand und den sternenklaren Nachthimmel betrachtete, wahrend ich ihn, Armando, erwartete.

Dorian war schon lange fort. Ich hatte ihn weggeschickt, nach Hause, zu seiner Verlobten. Hhm. Es war mir egal, ob er jemals dort ankäme. So egal, daß es mich schon fast ängstigte. Ich fühlte noch seine Küsse auf meiner Haut.

Armando! Ganz unvermittelt, aus dem Nichts: er stand hinter mir, ich hatte nicht bemerkt, ob er zum Fenster hereingekommen war. Von hinten hatte er mich in den Arm geschlossen.

- Bist du bereit, Engel? Flüsterte er mit seiner sanften Stimme in mein Ohr.
- Ja., ich schloß die Augen. Ich spürte, wie ich den Boden unter den Füßen verlor, ganz allmählich, wie ich absackte und in einen Dämmerzustand glitt, und das alles mit Armandos Arm um mich.

Ich erwachte von seinem Kuß. Meine Augenlider klappten auf und ich sah seine Gestalt über mich, die ich in einem breiten Himmelbett lag, gebeugt.

- Wach auf, Engel, sagte er leise.

Ich setzte mich auf. Ich befand mich in einem Zimmer des Stadtpalastes; in den Ecken glühte das seltsame Licht übernatürlicher Leuchten, an den Wänden hingen kunstvolle Gobeline, die Geschichten aus längst vergangenen Tagen des Schwarzsonnenreichs erzählten.

An ihnen führte Armando mich nun vorbei und erklärte mir, was die Symbole zu bedeuten hatten, doch war die Geschichte viel zu komplex, als daß ich sie sofort hätte erfassen können. Nur so viel begriff ich: Caelestina war die letzte große Fürstin, und Armando war durch das Blut seines Vaters in Dunkelheit, der jedoch inzwischen in einen erdgebundenen Geist verwandelt war und in der Krypta unterhalb des Schloßes weilte) mit ihr verbunden. Noch war Caelestina auf der Höhe ihrer Macht, doch was, wenn sie den Zeitpunkt gekommen sah, sich ebenfalls von der Oberwelt abzuwenden?

- Aber du bist doch mit ihr verwandt, Armando, sagte ich, - warum also folgst du ihr nicht nach?
- Ich bin zu schwach dazu, Mandragora, antwortete er traurig, - einfach zu schwach. Mein Blut ist nicht rein genug, als daß ich die Kraft jemals erlangen könnte, ganz zu schweigen von innerhalb der nächsten Jahrhunderte.
- Die nächsten Jahrhunderte..., wiederholte ich versonnen. - Du wirst ewig fortleben, meiner schöner Armando, wohingegen meine Zeit schon bald abgelaufen ist.
- Nein. Ohne dich werde auch ich nicht weiter existieren können.

Dies ließ ich dahingestellt sein, Traurigkeit bemächtigte sich meiner. Ich wußte nicht, wie das alles enden oder auch nur weitergehen sollte, und ich fühlte, daß Armando es ebensowenig wußte, doch der Augenblick wog die Ungewißheit über die Zukunft durch seinen glanzvollen Zauber auf; Nachmittage auf der Veranda, sternenklare Nacht, alle traurigen Liebeslieder scheinen nur für dich geschrieben zu sein. Du hast keine Ahnung, wer du bist, doch du wandelst durch kniehohe Blumen, während warmer Sommerwind sacht durch dein langes Haar streicht und die Tränen, die deine Wangen hinabrinnen, trocknet.

Ich küßte Armando und ich hielt mich so panisch an ihm fest wie ein Ertrinkender an einem erbärmlichen Stück Treibholz.


(Winter 1998 - Sommer 1999)
Zurück zur Übersicht
  1. Egy vérivónak meséje
  2. Das Reich der schwarzen Sonne
  3. Das Licht an düsteren Winterabenden
  4. Xtc
  5. Abschied
  6. Illuminati
  7. Epilog