Identität/Liebe - Der Wanderer

So fragt ihr mich denn nach meinem Namen und ich werde euch antworten, denn ich bin nichts weiter als die Tochter meiner Eltern und die Geisel meines Verstands. Wollt ihr aber wissen, wer ich wirklich bin, müsst ihr mich zuerst kennen, kennt ihr mich aber, dann wisst ihr schon, wer ich bin. Die Frage erübrigt sich also.

"Ich bin ein einsamer Wanderer auf der Suche nach der Widerlegung der Erkenntnis, dass ich dieselbige nie erlangen werde. Ich bin überall und nirgends, bin ich aber hier, so sollte ich es nicht sein. Ich bin auf der Flucht und zugleich auf der Suche nach der Erfüllung meines Schicksals, das ich aber erst bei meinem Tod kennen werde, und somit fliehe ich vor der Wahrheit, dass nicht mein Reisen, sondern nur mein Leben selbst in der Lage sein wird, seinen Zweck zu erfüllen. Gestern sah ich eine Blume am Wegrand stehen. Ich wollte verstehen und ließ mich nieder. So erblickte ich bald einen Schmetterling, der seinen Lebensdurst löschen wollte, seinen Hunger befriedigen, wobei die Blume ihm half. Was für ein Geschöpf, dachte ich, so schön und doch so zerbrechlich. Und ich musste an die Liebe denken. War es Liebe, die den Schmetterling zu gerade dieser Blume geführt hat? Ist es gar Liebe, die mich nicht ruhen lässt?"

So stand ich auf und mein Leben lief weiter, mit geraden zielstrebigen Schritten, mitten in den dunklen Wald. Meine Schritte wurden vom moosigen Waldboden abgedämpft, es roch nach Erde und Kiefernnadeln, frisch und schwer zugleich. Das kühle Wasser lud mich ein Halt zu machen, doch ich lief weiter.

"Was ist Liebe, frage ich mich.
Liebe ist, zu wissen, ohne zu verstehen.
"

Es wurde finstere Nacht, doch mein Herz leuchtete mir den Weg. Die Sterne funkelten, als wäre es ihr einziges Ziel, mich glücklich zu machen.

"Eins mit dem All und doch individuell, Sterngestöber, schwarze Nacht, deine Augen."

(Mittwoch, 27. Juni 2001, 20.58h)