Indifferenz?

Die Sonne scheint und es muß wohl Sonntag sein. Im Spiegel sind große blaue Augen, die mich anstarren. Zwar bin ich weggegangen, aber sich sind sie immer noch dort. Ich möcte Ihnen gestehen, daß ich mich hier gar nicht mehr wohl fühle, seit ich diese Augen entdeckt habe. Ich weiß, das sie mich verfolgen, wenn ich am Spiegel vorbeigehe. In meiner eigenen Wohnung fühle ich mich nicht mehr wohl! Ein schwarzes Tuch habe ich schon über den Spiegel gehängt, aber das ändert nun doch nichts an der Tatsache, daß diese Augen DA sind.

Sonntage habe ich eigentlich schon immer gehaßt. Ein Tag von widerlicher Lähmung, an dem ich mich zwar trotzdem hätte beschäftigen können, dies jedoch aus einer inneren Blockade heraus niemals fertiggebracht habe. Ich sitze in der Sonne, die Augen im Rücken, sie lassen nicht von mir ab, und denke an die Vergangenheit. Es hat wohl einmal eine Zeit in meinem Leben gegeben, als ich noch viel hinausgegangen bin. Vielleicht ist das der Grund, warum ich damals die Augen nicht bemerkt habe: ich war einfach zu selten anwesend, um iherer gewahr zu werden. Möglicherweise konnten auch sie mich daher nicht sehen?

Wie auch immer. heute gehe ich nicht mehr aus dem Haus. Es gibt wohl nichts dort draußen vor der Tür, was mein Interesse wecken könnte; zugegebenermaßen gibt es auch innen nichts, aber warum sollte ich mir denn also die Mühe machen, hinauszugehen, wenn es doch auf gleiche herauskommt? So denkt man nun einmal, wenn man immer mehr und mehr dinge als im Grund eunwesentlich erkannt hat. Leider konnte ich niemals etwas finden, von dem ich das Gegenteil herausgefunden hätte.

Und so sind sie nun schon alle fort, meine Lieben, die mir doch nichts mehr geben können, auch diejenigen, die mich nicht allzusehr gestört haben.

Man muß erkennen, daß der Mensch nur aus sich selbst sein kann, andernfalls wäre er gar nicht, jedenfalls nicht wichtig. Erstaunglicherweise konnte ich in mir aber kein warmes Glühen finden, das mir in kalten Zeiten Wärme gespendet hätte. Auch in mir gibt es nur die Leere, ebenso wie in den Köpfen eines jeden anderen. Irgendetwas stimmt hier nämlich einfach nicht. Wenn solche Rechnungen nicht aufgehen, warum dann jene, die doch so absurd erscheinen.

Nun ja. Was will man aber tun? Absurd sind auch diese Augen und sie existieren dennoch ganz offensichtlich. Man sollte sich einfach abgewöhnen, sich überraschen zu lassen, das wäre besser. Damit würden auf einen Schlag sämtliche Merkwürdigkeiten aus der Welt geschafft.

Obwohl - auch dieses erscheint mir doch supsekt. Vieles schon habe ich mir abgewöhnt - das Rauchen, das Trinken, das Lachen und zuletzt das Lieben (was nicht mehr wirklich schwer war) - und verändert hat sich doch ncihts, wie gesagt.

Ob ich nicht mein altes Leben zurückhaben möchte? - Aber nein. Hat man einmal aufgehört, zu leben, kann man doch nicht einfach wieder zurück. Im Ernst, wie stellen Sie sich das vor? Nein, es ist wohl doch besser so, wie es jetzt ist; immerhin habe ich damit mehr erreicht als die meisten anderen, nicht wahr?

Ich bin aufgestanden und zum Spiegel gegangen, um nachzusehen, ob die Augen noch da sind. Zu albern - selbstverständlich sind sie noch da und blicken ihren blauen Blick.

Ich erinnere mich, daß ich blaue Augen einmal gemocht habe. Sind Sie etwa gekommen, um mich an die Mädchen mit ihren hübschen blauen Augen zu erinnern? Damals ließ ich mich wohl davon beeindrucken, aber heute - ...

Ich interessiere mich nicht mehr für blaue Augen in schönen Mädchenköpfen, noch nicht einmal dafür, was sich in jenen Köpfen noch alles befindet. Was sollten diese Gespräche mir schon Neues eröffnen? Absolut lächerlich doch die Annahme, wir könnten noch etwas lernen. Außerdem - ich möchte niemandem den Spaß verderben. Wie sie ihr Leben finden, ist mir doch gleichgültig und ich möchte, daß es dabei bleibt.

Nein. Ich habe beschlossen, hier diesen Sonntagnachmittag auf den Tod wartend zu verbrinden. Das ist wohl ein Gefühl, das man nicht unwesentlich nennen kann: zu fühlen, wie das Leben langsam weicht und eine neue Wirklichkeit aufgeht.

Nun, noch merke ich nichts. Sie meinen, ich sollte doch lieber hinausgehen, mich in die blauen Augen junger Frauen verliebe, versuchen, dem Dasein Freude abzuringen? Der einzige Grund, warum ich das tun würde, wäre,um zu sehen, ob die Augen im Spiegel dann weggingen.

Aber das werden sie wahrscheinich ohnehin nicht. Der einzige wirklich in Betracht kommende Weg, wie ich mich der störenden Wirkung der Augen entziehen könnte, ist, sie einfach als vorhanden zu akzeptieren. Warum sollte es wesentlich sein, ob sie da sind oder nicht? Nichts ist schlimmer, als man es empfindet.