Gefangen aber frei

"Gefangen, aber frei", das ist der Satz um den es hier geht.
Er stammt aus dem Buch "Die Physiker" von Friedrich Dürenmatt.
In dem Buch geht es um drei Physiker in einer Irrenanstalt, die nacheinander Krankenschwestern umbringen.
Einer der Physiker hat eine sogenannte "Weltformel" entdeckt, sie aber nicht veröffentlicht und ist deswegen ins Irrenhaus gegangen.
Die andern beiden entpuppen sich als Geheimagenten, die den Physiker für ihre Zwecke haben wollen.
Am Ende bleiben aber alle drei, zwei davon nicht irre, im Irrenhaus und leben dort gefangen, sind aber "frei".

Was hat der Satz auf sich?
Beim ersten Lesen denkt man sich, dass man doch entweder "gefangen" oder "frei" ist.
In gewisser Weise stimmt das auch.
Aber bei näherem Betrachten ist man manchmal "gefangen" obwohl man "frei" ist.
Auf der anderen Seite ist man in gewisser Weise auch "frei", wenn man "gefangen" ist.
Nehmen wir als Beispiel ein Gefängnis.
Im Gefängnis ist man "gefangen".
Trotzdem ist man "frei", denn man muss sich um Nichts kümmern.
Man zahlt keine Steuern, man hat ein eigenes Bett, bekommt täglich was zum Essen und darf sogar auf den Hof.
Man lebt also nicht sehr schlecht.
Auf jeden Fall muss man nicht hungern oder unter einer Brücke schlafen.
Man ist also "gefangen, aber frei".

Hier ein Gegenbeispiel: Ein Obdachloser in der Stadt ist "frei".
Trotzdem ist er "gefangen".
Er hat keine Wohnung, ist oft an die Hilfe von sozial stärkeren angewiesen.
Er hat oft wenig oder nichts zum Essen, wie der Name schon sagt keine Wohnung und oft auch nichts ordentliches zum Anziehen.
Er ist quasi "gefangen" in einem Teufelskreis.
Also ist er "frei, aber gefangen".

Ein Superreicher hat alles was er möchte und ist "frei".
Doch er ist, eben weil er so viel Geld hat, "gefangen" in seiner Welt - einer reichen Welt.
Er kann zwar zu ärmeren Menschen gehen, doch ist dort oft nicht gern gesehen, weil viele Reiche arrogant und geizig sind.
Er ist also in seiner "Welt" "gefangen".

Ein "Armer" hat auch einen gewissen Lebensstandart.
Doch er ist auch in seiner "Welt" gefangen - normalerweise jedenfalls.
Er kann nicht einfach in die "Welt" der Superreichen gehen und dort machen was er möchte.
Er ist also auch "gefangen, aber frei".

Diese Menschen sind also "frei", bis auf den Gefangenen, und doch "gefangen".
Sie mögen zwar rein rechtlich "frei" bzw. "gefangen" sein, doch was sagt schon das Gesetz über den tatsächlichen Zustand eines Menschen aus?

Man könnte es noch weiter ausführen und auf weitere Menschen übertragen.
Doch diese Ausführung sollte reichen um das Wesentliche dieses Satzes darzustellen.
Auch wenn er auf den ersten Blick nicht zu stimmen scheint, stimmt er, bei genauerem Betrachten, schon.
Jeder Mensch ist in gewisser Hinsicht "gefangen", auch wenn er laut Gesetz "frei" ist.
Doch auch jeder "Freie" ist "gefangen" in seiner "Welt".